Hürden und Diskriminierung abbauen – Queere Geflüchtete stärken!
Weltweit drohen LGBTIQ+ soziale Ausgrenzung, Diskriminierung und Gewalt. In 66 Staaten wird Homosexualität strafrechtlich verfolgt, in 12 Ländern droht sogar die Todesstrafe. In einigen anderen Ländern gibt es zwar keine rechtlichen Regelungen, allerdings werden queere Personen gesellschaftlich diskriminiert und ausgegrenzt. Viele sind daher gezwungen zu fliehen, um in anderen Ländern Schutz und Zuflucht zu suchen. Das deutsche sowie das europäische Asyl- bzw. Flüchtlingsgesetz gewährt ihnen diesen Schutz.
Mehr als ein Drittel der lsbtiq+ geflüchteten Menschen in Deutschland berichten jedoch weiterhin von Diskriminierung und Gewalt in den Unterkünften sowie von unmittelbarer und mittelbarer Diskriminierung im Kontakt mit Behörden, Beratungsstellen sowie bei medizinischer und psychosozialer Versorgung. Dort werden sie oft als cis* heterosexuelle Menschen betrachtet und behandelt.
Das Projekt „Hürden und Diskriminierungen abbauen – Queere Geflüchtete stärken“ unterstützt deshalb queere, geflüchtete Menschen, die in Baden-Württemberg ankommen. Die Rosa Hilfe Freiburg kooperiert innerhalb des Projekts mit PLUS Rhein-Neckar e.V. und Weissenburg Stuttgart e.V.. Das Projekt wird vom Netzwerk LSBTTIQ Baden-Württemberg koordiniert und vom Ministerium für Soziales, Gesundheit und Migration Baden-Württemberg finanziert.
Durch die Zusammenarbeit der drei Organisationen kann fast jeder Landkreis in Baden-Württemberg erreicht und ein weites Einzugsgebiet ermöglicht werden. Wir von der Rosa Hilfe Freiburg decken dabei über 10 Landkreisen von Konstanz bis Offenburg und Tuttlingen ab und versuchen queere Geflüchtete zu unterstützen.
Wir haben dabei drei Schwerpunkte bei der Arbeit mit queeren Geflüchteten:
In unserer Beratung identifizieren wir den Hilfebedarf der Klient*innen: Brauchen sie Unterstützung in der Unterkunft? Ist eine psychologische Betreuung notwendig? Benötigen sie rechtliche Beratung im Asylverfahren oder steht bald ihre Anhörung an? Wir eröffnen einen sicheren Raum, in dem wir offen über ihre sexuelle Orientierung oder geschlechtliche Identität sprechen können. Auch hier schauen wir, ob es weitere Peer-Beratungen oder andere psychosoziale Versorgung braucht. Aufgrund ihrer Doppeldiskriminierung, ihrer Traumatisierungen in den Herkunftsländern und auf den Fluchtrouten ist eine enge Zusammenarbeit mit anderen psychosozialen Beratungsstellen unerlässlich. Dabei achten wir auch auf die Sensibilisierung unserer Kooperationspartner*innen und bieten die Vermittlung einer wertschätzenden und diskriminierungssensiblen Übersetzung an.
In der Beratung vertreten wir einen machtkritischen und Empowerment-Ansatz. Wir akzeptieren andere Selbstverständnisse von queeren Identitäten, stehen parteiisch hinter unseren Klient*innen, beraten ergebnisoffen und selbstbestimmt. Das Anzweifeln der Queerness von unseren Klient*innen lehnen wir natürlich ab. Als Beratende sind wir in eine Teamstruktur von Inter- und Supervision eingebunden und befinden uns in einer ständigen Selbstreflexion und Hinterfragung der eigenen Position. Aktuell arbeiten wir an einer Lösung für eine bessere Einbindung von Peers selbst in unsere Beratungsstrukturen.
Unser Gruppenangebot für queere, geflüchtete Menschen ist das „International Queer Café“ (IQC). Dies ist ein Safer Space und Austauschort für queere Menschen, die aus ihrem Herkunftsland flüchten mussten oder verfolgt wurden. Oftmals ist dies der einzige Ort, an dem sich queere geflüchtete Menschen während ihres Asylprozesses ausleben können – hier können sexuelle Orientierungen und geschlechtliche Identitäten benannt, gezeigt und gefeiert werden. Für viele geflüchtete queere Menschen ist dies der einzige Ort, an dem sie sich sicherer fühlen und deshalb ist es umso wichtiger, diesen Raum als Verein zu begleiten. Dies machen in der Rosa Hilfe Freiburg Mitarbeiter*innen und Ehrenamtliche in Austausch mit den Gruppenteilnehmenden: So schaffen wir einen sichereren Raum, in dem wir gemeinsam Regeln entwerfen und im Dialog miteinander bleiben. Neue Teilnehmenden wollen wir zunächst in einem Gespräch persönlich kennenlernen.
Wir planen in der Gruppe gemeinsame Aktionen: vom Kochabend zum Drag-Workshop hin zu Workshops über Wohnungssuche und Bogenschieß-Ausflügen. Wir entdecken gemeinsam queere Orte und Veranstaltungen in Freiburg, gehen auf den CSD oder besuchen die Schwule Filmwoche und das Queere Freitagscafé. Das Projekt unterstützt dabei beim Abbau von Hürden zum Anschluss an die Community: Wir zahlen Eintrittspreise, Fahrtkosten und bieten eine geschützte Struktur, um queere Orte erstmal gemeinsam zu erkunden.
Die Gruppenangebote sind geprägt von Freizeitaktivitäten und Spaß – sie fördern soziale Inklusion und ermöglichen einen Begegnungsraum: Am Ende des Tages füllen die Teilnehmenden diesen Raum jedoch selbst mit Ideen, Regeln, Gemeinschaft und Zugehörigkeit. Die Teilnehmenden kreieren so selbst gegenseitig Empowerment und lassen Freundschaften und Ersatzfamilien entstehen. Viele queere geflüchtete Menschen haben kaum Kontakt zu ihrer Herkunftsfamilie, halten ihre Queerness auch in den Unterkünften in Deutschland geheim und brauchen deshalb umso mehr alternative soziale Netze und Gemeinschaft.
Gerade die Anbindung an die queere Community in Freiburg und Umgebung leisten innerhalb des Projekts auch unsere Ehrenamtlichen. Dafür haben wir ein Tandem-Projekt entwickelt: Queere geflüchtete Menschen werden durch queere Ehrenamtliche in eins zu eins Begleitung unterstützt. Dies kann gemeinsam Café trinken, Deutsch lernen bis hin zu gemeinsamen Behördengängen oder Ausbildungssuche sein. Dabei soll gegenseitiges Verständnis, kultureller Austausch und gesellschaftliche Teilhabe gefördert werden.
Queere geflüchtete Menschen finden häufig aufgrund sprachlicher und sozialer Barrieren lange keinen Anschluss an die örtliche queere Community und bleiben auch in der queeren Community unsichtbar. Dies soll durch die Tandem-Partner*innenschaften durchbrochen werden. Der Kontakt zu einer queeren Person, die bereits länger in Deutschland lebt, kann einen niederschwelligen Einstieg in die queere Community vor Ort bedeuten und Hürden abbauen.
Unsere Ehrenamtlichen werden durch regelmäßige Austauschtreffen und Intervision begleitet, aktuell sind ebenfalls Qualifizierungsmaßnahmen und inhaltliche Inputs für Ehrenamtliche geplant.

Unser Beratungs- und Begleitungsangebot queerer Geflüchteter wird finanziert aus Landesmitteln, die der Landtag von Baden-Württemberg beschlossen hat.
Ansprechpersonen

Maria
Projektleitung im Bereich queere Geflüchtete.